Hallo Versicherungsbranche – Meine Reise in eine Branche, die angenehmer ist als ihr Ruf

Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich mal in der Versicherungsbranche arbeiten würde, hätte ich laut gelacht und ihn für verrückt erklärt. Nie im Leben hätte ich mir vorstellen können, „meine“ innovative und lebendige Startup Welt zu verlassen. Schon gar nicht, um in der Versicherungsbranche zu arbeiten. Da kam ja sogar eher die Immobilienbranche in Frage, die ebenfalls nicht den besten Ruf hat. Wie ich nun in der Versicherungsbranche gelandet bin und warum ich mir aktuell keinen besseren Job vorstellen kann, möchte ich hier mit dir teilen.


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Versicherungsbranche Stefanie Weidner Photo by Hello I m Nik on Unsplash


Der schlechte Ruf des Versicherungsvertreters und seiner Branche

Laut der Bürgerbefragung des ddb genießt der Versicherungsvertreter das geringste Ansehen im Ranking der Berufsgruppen. 2019 und auch die letzten 3 Jahre davor stand der Versicherungsvertreter auf dem letzten Platz. Und 2019 sogar nur noch bei 8% der Befragten „hoch“ im Ansehen. Selbst Politiker (16%) und Bankangestellte (24%) sind besser angesehen. Im Laufe der letzten Jahre hat der Versicherungsvertreter noch an Ansehen verloren. Tendenz also sogar fallend.

Dass diese Branche und explizit der Versicherungsvertreter einen so schlechten Ruf hat, war für mich bisher nachvollziehbar. Von dem ein oder anderen Eklat hat sicher jeder schon mal gehört. Die berühmtesten Fälle gingen durch die Presse und haben über Monate, teilweise Jahre hinweg die Medien beschäftigt. Sei es der Sex-Skandal der Ergo bzw. Hamburg-Mannheimer Inter-Organisation oder Versicherungsvertreter Mehmet Göker der als „Vertreter der irrsten Auswüchse der Branche“ gilt. Sind das nur krasse Einzelfälle, die das Bild einer ganzen Branche über Jahrzehnte negativ prägen? Oder bis dato toleriertes Verhalten, das zu einer von Männern dominierten alten Arbeitswelt dazugehörte? Ich vermag darauf keine Antwort zu geben.

Es gibt aber auch Menschen, die eine explizit gute Meinung über Versicherungsvertreter haben. So schreibt z.B. der Kolumnist Harald Martenstein: „Klar, ein Versicherungsvertreter will etwas verkaufen, und er versucht, bei seinen Kunden einen sympathischen, vertrauenswürdigen Eindruck zu machen. Was ist schlecht daran? Ich mag es, wenn Leute freundlich, kompetent und höflich sind. Immer wenn ich im Restaurant eine halbe Stunde darum kämpfen muss, die Rechnung bezahlen zu dürfen, wünsche ich mir, dass der Kellner ein Versicherungsvertreter wäre. Auch an der Wursttheke im Supermarkt habe ich manchmal diese Sehnsucht.

Meine Erfahrungen mit der Versicherungsbranche beschränken sich auf wenige Begegnungen mit früheren Versicherungsvertretern und meiner jetzigen Position in einem Maklerbetrieb. Über die Versicherungsvertreter aus meiner Vergangenheit kann ich nichts Negatives berichten. Aber auch nichts Positives. Meine erste Versicherung habe ich abgeschlossen, als ich von zu Hause ausgezogen bin. Ich habe sie abgeschlossen, weil man das halt eben so gemacht hat. Da ich bisher, zum Glück, keine meiner Versicherungen gebraucht habe, gab es auch keine zusätzlichen Berührungspunkte. Auch keinen Anlass, um mich weiter mit dieser Branche oder ihren Vertretern auseinanderzusetzen. Für mich war das immer ein Thema, das in meinem Alltag keinerlei Präsenz einnahm. Das hat sich aber schlagartig geändert.


Wie ich in der Versicherungsbranche gelandet bin

Bezüglich eines Details falle ich direkt mit der Tür ins Haus: Mein Freund ist Versicherungsmakler. Unabhängiger Versicherungsmakler, wie ich im Laufe der Zeit gelernt habe. Da wir beide leidenschaftlich gerne Arbeiten, haben wir uns auch privat schon immer viel über unseren Beruf und den Unternehmensaufbau ausgetauscht. Um ehrlich zu sein – und ihm war es auch bewusst – hat mich das Versicherungsthema in unseren Gesprächen nie richtig gefesselt.

Was mich aber im Laufe der Zeit immer mehr interessiert und auch fasziniert hat, war sein Umgang mit Versicherungen und seine Sicht auf die Branche. Sie war ganz anders als all das, was ich bisher über die Versicherungsbranche gehört, gelesen und (vor allem) mir ausgemalt hatte. Also hörte ich aufmerksam zu und begann irgendwann mich wirklich dafür zu interessieren. Immer noch recht oberflächlich, aber mein Interesse war geweckt. Und wuchs an, als bei ihm der Wunsch aufkam, seinen Betrieb zu digitalisieren.

Dass wir privat ein super Team sind und ich mich mit Digitalisierung auskenne, trug dazu bei, dass wir begonnen, zusammen zu arbeiten. Natürlich erstmal nur ganz vorsichtig, also nur einen Tag in der Woche. Denn ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, „richtig“ in einem Maklerbetrieb zu arbeiten. Auch wenn ich schon einiges über den Betrieb erfahren hatte, blieb in meinem Kopf das über Jahrzehnte hinweg durch Medien geprägte Bild, dass nichts mit ihm oder seiner Tätigkeit zu tun hatte.

Was ich dann erlebt habe, hat meine Sicht auf den Kopf gestellt und alles widerlegt, was ich bisher geglaubt hatte. Es hat mehrere Monate gedauert, bis ich mir das eingestanden habe, aber meine Tätigkeit in der Versicherungsbranche ist mit Abstand das interessanteste, was ich die letzten Jahre getan habe. Ich bin fasziniert und gefesselt.


Versicherungsbranche Stefanie Weidner Photo by Austin Schmid on Unsplash


Von ihhhh zu wow – Warum ich weiterhin in der Versicherungsbranche arbeiten möchte

Mein Freund war zwar der Auslöser, dass ich begonnen habe mich mit der Versicherungsbranche auseinanderzusetzen und dort zu arbeiten. Er ist aber nicht der Hauptgrund, warum ich auch bisher dabeigeblieben bin und weiterhin bleiben möchte. Nach knapp einem Jahr – und das ist sicherlich noch kein bedeutend langer Zeitraum – habe ich meine Erfahrungen Revue passieren lassen.

Das sind meine top 4 Gründe, warum ich auch weiterhin in dieser Branche arbeiten möchte:

  1. Das Potenzial und die Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung
  2. (M)Eine neue Perspektive auf Versicherungen
  3. Der Wandel und hybride Modelle
  4. Eine Arbeitsumgebung, die Freiheit zulässt und Wachstum befürwortet


Das Potenzial und Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung

Digitalisierung ist ein Begriff, unter dem man alles und nichts verstehen kann. Und auch im Kontext meiner Tätigkeit und der Versicherungsbranche im Allgemeinen ist er sehr facettenreiche. In Bezug auf die Maklerbetriebe beginnt die Digitalisierung bei der Digitalisierung der Papierunterlagen. In Bezug auf die konservativen Versicherungskonzerne, denke ich bei Digitalisierung an die Versicherer, die z.B. Schnittstellen für den Austausch von Daten schaffen müssen. Oder ihre außerordentlich großen Datenmengen aufbereiten müssen, um diese analysieren zu können. Aber auch, um mit Hilfe von künstlicher Intelligenz wertvolle Erkenntnisse zu generieren und neue Leistungen anzubieten. Dann gibt es auch noch zahlreiche Startups oder Spinoffs großer Konzerne, die sich z.B. mit dem Einsatz von Blockchain in der Versicherungsbranche beschäftigen.

Ich finde es faszinierend und schockierend zugleich, wie unterschiedlich der Stand der Entwicklungen in Bezug auf die Digitalisierung in dieser Branche ist. Und noch faszinierender, welches Potenzial damit gleichzeitig in ihr steckt. Die Digitalisierung bringt aber nicht nur Chancen, sondern auch große Herausforderungen mit sich. Durch z.B. neue Regelungen innerhalb und außerhalb der Branche, ist der Versicherungsmakler mit neuen Aufgaben konfrontiert, die einen Großteil seiner Arbeitszeit einnehmen. Zwar kann durch den Einsatz digitaler Tools diese Zeit optimiert werden, um wieder mehr Zeit für die Kunden und die alltäglichen Aufgaben eines Maklers zu haben.

Aber seien wir mal ehrlich: welcher Makler bzw. Unternehmer ist in der Lage mal ebenso nebenbei, seinen Betrieb zu digitalisieren? Und welcher Makler hat die Ressourcen und das Knowhow, dies an Fachpersonal zu übergeben und die Ergebnisse bewerten zu können? Das werden die wenigsten sein. Wir reden hier nämlich außerdem von einer Berufsgruppe, die im Durchschnitt ein Alter ca. 53 Jahren aufweist. All die Versicherungsmakler, die dazu in der Lage sind, werden das immense Potenzial nutzen können, das die unterschiedlichen Facetten der Digitalisierung mit sich bringt. Alle anderen Makler, werden den Wandel in der Branche nur schwer oder gar nicht überleben.


(M)Eine neue Perspektive auf Versicherungen

Wie zu fast allem auf dieser Welt, gibt es auch zu dem Thema Versicherung unterschiedliche Perspektiven und Betrachtungsweisen, die man einnehmen kann. Im letzten Jahr gab es ein entscheidendes Gespräch, dass bei mir dazu geführt hat, Versicherungen aus einer neuen Perspektive zu sehen. Bei dem Gespräch ging es um unterschiedliche Gründe, warum Menschen eine Versicherung abschließen.

Es gibt z.B. die Inhaltsversicherung für dein Büro. Wenn du Inhalte im Wert von 30.000 Euro besitzt, diese zerstört werden und es für dich keinen nennenswerten Aufwand bedeutet, diese Inhalte zu ersetzen – so what? Dann kannst du die Versicherung abschließen oder es auch sein lassen. Wenn du kaufmännisch veranlagt bist, wirst du das Risiko in Verhältnis zur Prämie für die Versicherung stellen und auf dieser Basis deine Entscheidung treffen.

Dann gibt es aber auch Versicherungen wie z.B. eine Haftpflichtversicherung. Aus welchem Grund schließt du diese Versicherung ab? Ich habe sie abgeschlossen, weil ich wollte, dass Dinge von anderen ersetzt werden, die ich ausversehen beschädige. Rechnerisch ist es günstiger für mich, die sehr geringe jährliche Prämie zu zahlen, als z.B. einmal ein Handy, dass ich ausversehen fallen lasse. Das war bisher meine Perspektive.

Aber bei Versicherungen geht es nicht generell nur um mein persönliches Risiko und um meinen Schaden. Es geht vor allem auch um andere Menschen. Durch ein Versehen, durch eine kleine unglückliche Bewegung, kann es passieren, dass ein anderer Mensch lebensgefährlich verletzt wird. Dann musst du in der Lage sein, dafür sorgen zu können, dass dieser Mensch die bestmögliche Versorgung und Betreuung erhält. Und genau das ist – meiner (neuen) Meinung nach – der Hauptgrund, warum jeder eine Haftpflichtversicherung haben sollte. Und nicht umsonst ist z.B. eine KFZ Versicherung gesetzlich vorgeschrieben.

Für mich hat die Auseinandersetzung mit Versicherungen und der Abschluss dieser, im ersten Schritt damit zu tun, in wie weit jemand bereit ist, sich mit zum größten Teil unangenehmen Themen auseinanderzusetzen. Im zweiten Schritt damit, in weit derjenige bereit ist, Verantwortung dafür zu übernehmen. Oder eher gesagt Verantwortung zu teilen. Denn es gibt neben dir als Versicherungsnehmer auch immer das Versicherungsunternehmen, dass im Idealfall die Zahlung für den Schaden übernimmt.


Der Wandel und hybride Modelle

Die Versicherungsbranche arbeitet seit Jahren an ihrer Weiterentwicklung. Ich glaube, dass bisher die Notwendigkeit für einen Wandel nicht ernst genug genommen wurde. Ich glaube aber auch, dass sich das gerade ändert. Unter anderem durch den Druck, der auf der einen Seite durch junge, agile Unternehmen entsteht. Unternehmen, die von Beginn an digital starten, sich um keine Unternehmenstransformation kümmern müssen und sich dadurch gänzlich mit allen Ressourcen auf die Markterschließung fokussieren können. Auf der anderen Seite durch den Druck, dem Versicherungsmakler ausgesetzt sind und den diese weitergeben.

Selbst, wenn die Protagonisten der Versicherungsbranche diesen Druck die nächsten Jahre ertragen und sich nicht anpassen, wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, wo der Druck nicht mehr mit finanziellen Mitteln kompensiert werden kann. Dann wird es nicht ausreichen, Menschen weiterhin die Aufgaben erledigen zu lassen, die Technik besser und schneller erledigen kann.

Meiner Meinung nach, sind aber nicht die Insurtechs die Lösung für die Herausforderungen dieses Wandels. Meiner Meinung nach, müssen die Fähigkeiten von Menschen und Technik miteinander in hybriden Modellen kombiniert werden. Für die teilweise komplexen Beratungsthemen ist die Technik kein adäquater Ersatz. Aber sie sollte überall dort eingesetzt werden und den Menschen unterstützen oder ersetzen, wo sie schlau genug ist, um einen Mehrwert zu leisten. Einen Mehrwert nicht nur für den Versicherungskonzern oder den Makler. Sondern ganz besonders auch für den Versicherungsnehmer.


Eine Arbeitsumgebung, die Freiheit zulässt und Wachstum befürwortet

Für jemanden, der in einem innovativen und schnellen Umfeld gearbeitet hat, scheint der Alltag in der Versicherungsbranche auf den ersten Blick wie ein Rückblick in die Vergangenheit. Und zwar in eine Vergangenheit, die von Fax und Telefon dominiert wurde. Sicherlich hätte ich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und wegrennen können. Aber weißt du, wie ich mich ein bisschen gefühlt habe? Wie Marty McFly. Stell dir vor, du reist mit all deinem heutigen Wissen in die Vergangenheit.

Natürlich war das jetzt eine übertriebene Darstellung. Aber trotzdem: Vieles von dem, was in meinem früheren Arbeitsalltag normaler Bestandteil war, würde den Arbeitsalltag jetzt extrem erleichtern und sehr viel Zeit und Ressourcen sparen. Ich habe die Chance und die Freiheit bekommen, eine Strategie aufzustellen und mit der Umsetzung zu beginnen. Ein Traum für jeden, der gerne Dinge bewegt und selbständig arbeitet.

Auch wenn es einfach klingt, bekannte Maßnahmen in einem neuen Kontext umzusetzen, bringt es auch viele Herausforderungen mit sich. Herausforderungen, mit denen ich wachsen und von denen ich lernen kann. Aber auch Herausforderungen, für die ich aktuell noch keine Lösung habe.

Alles in allem scheine ich in einer Branche gelandet zu sein, die Lust hat auf Menschen, die etwas bewegen und verändern wollen. Und die dankbar für Menschen ist, die sich nicht von den Vorurteilen abschrecken lassen und ein bisschen mitbringen von ihrer sonst gewohnten modernen und neuen Arbeitswelt.


Ich befasse mich zwar schon ein bisschen länger mit der Versicherungsbranche, aber angefangen dort zu arbeiten habe ich erst Mitte 2019. Ich interessiere mich sehr für einen Austausch, deine Erfahrungen und deine Perspektive zu der Versicherungsbranche. Deshalb würde ich mich sehr über Kommentare oder Nachrichten freuen.

Bis bald,

Stefanie

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